24.02.2015

Grand Prix in Düsseldorf ist Geschichte

Zum Grand Prix in Düsseldorf trifft sich die Judo-Weltelite. Das Turnier ist der Auftakt für zehn Grand Prix in diesem Jahr in aller Welt, die alle zur Olympiaqualifikation zählen. Hier eine Nachbetrachtung.

542 Athleten aus 75 Ländern aus aller Welt – es ist rekordverdächtig! Nach dem ausgefallenen – bzw. auf Oktober verschobenen – Grand Prix in Paris ist Düsseldorf die erste Station der Weltturniere in diesem Jahr. 
Bis zu 59 Kämpfer (-73 kg) treten je Gewichtsklasse an, bei den Frauen sind es immerhin bis zu 40 Kämpferinnen in der 57-Kilo-Klasse. 
Das Teilnehmerfeld ist hochkarätig und der Wettkampfverlauf zeigte es: Selbst Favoriten stürzen zeitig und werden nach kurzem Auftritt auf der Matte bereits unter die Dusche geschickt. Vizeweltmeister Kristian Toth (-90 kg), Weltmeister Boldbaatar Ganbat (-60 kg) und Elkhan Mammadov (-100 kg), Olympiasiegerin Sarah Menezes (-48 kg),  Weltmeisterin Ami Kondo (-52 kg) – die Liste ist lang.


Aber auch unsere deutschen Favoriten müssen in einigen Situationen schmerzliche Niederlagen einstecken. Kerstin Thiele ist nach langer Verletzungspause und einem grippalen Infekt noch im Aufbau und scheitert im Auftaktkampf, Luise Malzahn führt gegen die Japanerin Ruika Sato mit zwei Yuko und lässt sich noch komplett mit drei folgenden Yuko und letztlich einem Ippon abzocken, Romy Tarangul verliert den zweiten Kampf mit einer Bestrafung und ist raus und in der 100-Kilo-Klasse – eigentlich eine Paradeklasse des DJB – fallen die Jungs reihenweise um. Am schlimmsten erwischt es Dimitri Peters, er fliegt gleich im ersten Kampf nach Bestrafungen raus, aber auch der WM-Dritte Karl-Richard Frey und Dino Pfeiffer müssen vor dem Poolfinale bereits die Segel streichen.
Erfreulich jedoch die „jungen Wilden“. Sowohl die Mädels als auch Jungs preschen nach vorn. Szaundra Diedrich steht im Finale, Carolin Weiß gewinnt ebenso wie Sven Heinle Bronze, Nadja Bazynski und Vivian Hermann platzieren sich. 

Die Stimmung in der Halle ist wieder grandios. Die Fan-„Kurve“ der NWJV-Jugend macht Stimmung, besonders die deutschen Athleten werden lautstark durch alle Zuschauer angefeuert – es macht wieder mal Spaß, Judo live zu erleben – und das auf so hohem Weltniveau wie in Düsseldorf.
Es trifft sich neben den Athleten auch sonst noch die „Weltelite“ unseres Sports. Bei den eingefleischten Judo-Fans kann man sich sicher sein, dass man viele Freunde auf jeden Fall mal wieder in der Halle sieht. 
Aber auch auf der Tribüne gegenüber treffen sich immer wieder alte Bekannte. Gabi Juan aus Spanien, der schon oft Fotos aus aller Welt auch für unsere Seite bereitstellte, Christian Fidler aus Österreich, Robert Danis aus der Schweiz oder DER Judo-Fotograf David Finch aus Großbritannien- es sind alle da, die einfach in die große Judo-Familie gehören.

Zum sechsten Mal findet nun bereits der Grand Prix in Düsseldorf statt. Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel  würdigte diesen Wettbewerb: "Die Landeshauptstadt Düsseldorf steht in diesen Tagen ganz im Zeichen des Judosports. Judoka und Judo-Fans aus der ganzen Welt schauen zurzeit nach Düsseldorf.“ Auch Peter Frese erklärt begeistert: "Das Herz des Judo schlägt einmal mehr für drei Tage in Düsseldorf." Bereits am Freitag ist die Mitsubishi Electric Halle mit 3000 Zuschauern ausverkauft, insgesamt zählt man am Ende 8000 Zuschauer – Besucherrekord in Düsseldorf!
Auch sind die Straßen mit riesigen Plakatwänden vom Grand Prix bepflastert - so etwas kenne ich eigentlich nur aus der Zeit der Wahlplakate.
Am zweiten Tag gab es einen besonderen Ehrengast. Der nationale Held unseres Sports, Ole Bischof, kam zum Grand Prix. Kurz vor den Finalkämpfen überbrachte der neu gewählte Vizepräsident Leistungssport des DOSB seine herzlichen Grußworte an das Publikum.
„Es ist ein großes Gefühl, hierher zurückzukommen. Diesmal nicht als Wettkämpfer sondern als Gast. Trotzdem ich nun mittlerweile wirklich lange und harte Arbeitstage habe, liebe ich den Sport und besonders Judo. Wenn man einmal Judoka ist, ist man Judoka fürs Leben,“ sagt Ole Bischof mit freudestrahlenden Augen inmitten vieler Kinder, die die Fahnen aller Nationen in die Halle gebracht haben. 

Es gab viele Begegnungen mit unseren Assen, auch den früheren. Mittlerweile stehen ja frühere sehr erfolgreiche Athleten wie Yvonne Bönisch, Daniel Gürschner, Frank Möller, Detlef Ultsch und einige mehr als Trainer am Mattenrand. Aber auch andere Sportler trifft man. Heide Wollert wird am Sonntag aus der Nationalmannschaft verabschiedet, Annett Böhm übertrifft mit ihrem Charme am web-TV alles Vorstellbare, Andreas Tölzer ist gern gebuchter Co-Moderator. 

Es macht Freude, diese tollen Athleten wieder zu treffen und zu erleben, welch großartigen Weg sie nach dem Leistungssport eingeschlagen haben.


Insgesamt waren am Wochenende 584 Kämpfe zu sehen, davon wurden 318 mit Ippon entschieden, das sind deutlich mehr als die Hälfte aller Kämpfe (fast 55%). Aber es gab auch Unmengen von Shido. Bei den Männern wurden in 344 Kämpfen 828 Shido gegeben (2,4 je Kampf im Durchschnitt), bei den Frauen in 240 Kämpfen 447 Shido (1,9 je Kampf im Durchschnitt).  Ein Hansokumake gabs in der 73-Kilo-Klasse, zwölf Golden-Score-Entscheidungen und 101 Festhalten. Deutschland hat mehrere Top-Kampfrichter auf der Matte. Allen voran Andreas Hempel, der auch immer wieder Finalkämpfe leiten darf.

Die Tage waren jeweils lang. Die Finalkämpfe begannen täglich erst um 17:00 Uhr. Trotzdem man die Anfangszeit auf halb 10 vorverlegt hat und der Grand Prix nun bereits drei Tage dauert, zieht sich das Ganze jeden Tag bis ins Unendliche. Mittlerweile wird nur noch auf drei Matten gekämpft, die Medaillenkämpfe finden nur noch auf einer Matte statt und nicht wie früher um Bronze parallel, es gibt eine recht lange Pause zwischen Vorrunde und Finalkämpfen – die man jedoch auch braucht, denn wer kann schon von früh halb 10 bis abends spät durchgängig auf den doch nicht so sehr bequemen Stühlen einer Sporthalle sitzen? 

Dennoch, öffentlichkeitswirksam ist das Ganze nicht. Mareens Bronze-Erfolg vom Freitag konnte erst am Montag in den Zeitungen veröffentlicht werden. Bis der Kampf am Freitag über die Bühne gegangen war, hatten die Zeitungen längst Redaktionsschluss für Samstag. Das ist ein immer wieder diskutiertes Problem. Eigentlich müssten die Ergebnisse spätestens 17:00 Uhr raus an die Medien, dann könnten wir in Fußball-Deutschland auch mal Glück haben, Judo etwas ausführlicher in den Medien zu sehen, hören und lesen. 
Samstag erklingt kurz vor 19:00 Uhr die letzte Nationalhymne, Freitag und Sonntag sogar noch später. Viele, die noch durch halb Deutschland fahren müssen, um Montag wieder zur Arbeit gehen zu können, brechen den Grand Prix vor den Finalkämpfen ab. Schade!

Neben dem Live-Erlebnis hatte ich das Glück, auch mal ins web-TV schauen zu können. Für die Daheimgebliebenen gibt es dort kurzweilige Unterhaltung. Annett Böhm, einst Olympia-Bronze-Gewinnerin in Athen ist mittlerweile hoch anerkannte Journalistin, die unter anderem für den mdr arbeitet – und natürlich für die IJF und den DJB. 
Sie unterhält sich mit vielen Co-Kommentatoren über vieles rund um die Kämpfe in der Halle und entlockt so manchem Athleten so manches persönliche Geheimnis. Man erfährt, dass Andreas Tölzer mittlerweile schon 22 kg abtrainiert hat, die Sportler erzählen über ihre Alltagsdinge, die für die Zuschauer  durchaus interessant sind. Und so mancher wird zum Co-Kommentator mit brillanten Formulierungen und witzigen Einfällen. Diese Entwicklung in der Darstellung unserer Sportart auch für die Fans, die nicht dabei sein können, ist äußerst erfreulich. Ich ziehe den Hut vor Annett, die die kompletten Kämpfe mitten auf der Pressetribüne unter Kopfhörern sitzend hochkonzentriert verfolgt – und natürlich charmant kommentiert.

"Ganzkörpereinsatz" am Mikrofon



Am Sonntag wird noch eine besondere Frau geehrt. Ursula Braun, gefühlt ihr komplettes Leben lang Pressereferentin von Baden, aber auch einst erste Frau als DJB-A-Kampfrichterin, wird anlässlich ihres gerade begangenen 80. Geburtstags geehrt.

In der Pause treten aber auch Wolfgang Dax-Romswinkel und Ulla Looßen mit einer Kata auf. Beide sind Europameister und räumen derzeit viele Preise in Kata-Wettbewerben weltweit ab.
Meine persönliche Favoritin als Zitategeber ist am Sonntag Szaundra Diedrich. Frisch und frei von der Leber weg gibt sie eine Einschätzung ihres Finalkampfes gegen Chizuru Arai aus Japan: „Es war ein guter Kampf und ich hatte gute Momente. – Aber sie hatte die Besseren!“

Text und Fotos: Birgit Arendt
Foto Mareen Kräh: Klaus Müller

PS: Interessant ist ein Interview mit Annett Böhm und eine Geschichte vom Grand Prix aus der Sicht eines web-TV-Zuschauers - beide Beiträge wurden von Peter Zarth geschrieben, einem Journalisten, der ehrenamtlich für den DJB arbeitet.

Achtung

Die Trainer-Ausbildung 2022 findet statt, dennoch gibt es noch freie Plätze und der Anmeldetermin wird bis zum 22.12.2021 verlängert!

Positionspapier des DOSB zur Inklusion